© Unternehmenskultur ein Softeis -
Francescopaolo Marino.
All right reserved-All Picture by PEXELS
"Ich Dienen? Aber bitte ohne mich!"
Habe in letzter Zeit den Eindruck, dass sich in
unserer "Servicewüste" etwas bewegt. Nach dem
häufigen Vorkommen des Begriffs "Service"
(neudeutsch für "Dienst") zu urteilen, müssten wir
eigentlich in einem Serviceparadies leben: Service-
Partner bieten uns einen Leser-Service, Anzeigen-
Service, Reservierung-Service, Abo-Service,
Verbraucher-Service, Urlaubs-Service, Ticket-
Service, Festival-Service, bei Bedarf auch einen
Seitensprung-Service oder einen Anwalt-Service an,
und zwar entweder als Full Service oder als Online-
Service, in jedem Falle in Service-Qualität. Dass
nicht alles Gold ist, was glänzt, wird uns immer
wieder in zahlreichen Publikationen zum Thema
Servicewüste Deutschland vorgeführt.
Bei einem "Dienstleistungskongress" sagte debis-
Chef Klaus Mangold im Zusammenhang damit, dass
in Deutschland eine entwickelte
Dienstleistungskultur fehle: "Wir haben
Schwierigkeiten, uns bedienen zu lassen,
geschweige denn, anderen als unseren Maschinen
zu dienen."
Dienen - etwas für Dumme?
Auch wenn "Service" vielleicht freundlicher oder
zeitgemässer klingt als "Dienst" oder gar
"Dienstleistung": Das Problem sind nicht die
Begriffe, sondern die dahinter stehende (oder
fehlende) Haltung! Dienen "ist in werte gewandelten
und individualistisch ausgerichteten Gesellschaften
wie in Deutschland eindeutig negativ belegt und
eng mit dem Begriff der Unterwerfung verbunden.
Demut und Dienst am nächsten - zwei klassische
Werte der christlichen Heilslehre - haben in einer
aufgeklärten und säkularisierten Lebensumwelt
einen faden bis bitteren Beigeschmack und sind
mehr oder weniger geächtet. Dienste leisten wird
dadurch zu einer Beschäftigung für Dumme oder
Heilige, aber nichts für Macher und Manager." Wenn
Werte wie Demut und Dienstbereitschaft nicht hoch
im Kurs stehen, sondern vielmehr mit einem milden
Lächeln als antiquiert abgestempelt werden, dann
hat das nicht nur Folgen für ein Land als
Wirtschaftsstandort, sondern für das Leben
überhaupt: Zuerst kommt die Servicewüste, später
wird die Gesellschaft selbst zur Wüste; denn Demut
ist nichts anderes als der Mut zu dienen. Wo es
zum "Dienst nach Vorschrift" kommt, wird die
zwischenmenschliche Beziehung zum vertraglich
geregelten Geschäft degradiert. Dass es überhaupt
so weit gekommen ist, hängt u. a. sicher damit
zusammen, dass uns als modernen Menschen
Vorbilder gelebter Menschlichkeit fehlen. An klugen
Büchern und beeindruckenden Reden mangelt es
nicht, wohl aber an Mut, wirklich zu dienen. Sehr
treffend hat es Paul Toaspern formuliert: "Dienen
lässt sich schwer in Worte fassen, aber ablesen am
gelebten Leben. Worte können Glaubwürdigkeit
fordern. "Auch der Menschensohn ist nicht
gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern
um zu dienen", dies auch tagein, tagaus
praktizierte.
Menschen zu dienen bedeutet nicht, dass man
sklavisch verrichtet, was sie von einem erwarten.
Nur der kann letztlich einem anderen einen guten
Dienst erweisen, der eine eigene Überzeugung hat
und sie auch vertritt. Echter Dienst beginnt da, wo
man bereit ist, den anderen zu verstehen, sich mit
ihm auf eine Stufe zu stellen, wodurch ein Dialog
und das gegenseitige Verstehen ermöglicht werden.